Vorfahrten zu den Vorfahren (Teil 1)

von Thomas Maus- Holzer

Am Mariahimmelfahrtstag- nach dem Nikolaustag der wohl höchste Feiertag Lothringens- hat sich der Vorstand des Historischen Vereins auf die Reise in unser geschichtsträchtiges Nachbarland begeben.

Die Tagesfahrt führte uns nach Verdun, wo sich Geschichte und Kultur, Glück und vor allem Leid des gesamten Kontinents vereinen.

Schon die Anfahrt über die grünen Hügel Lothringens, durch das Moseltal, die Woevre und letzten Endes das Maastal war purer Genuss. Die Stadt Verdun empfing uns mit leicht bedecktem Himmel und angenehmen 25° C. Nachdem wir das mittelalterliche Stadttor durchschritten hatten, konnten wir uns nicht nur am bunten Mix der Bürgerbauten aus 8 Jahrhunderten, sondern auch an einem gut besuchten Flohmarkt erfreuen. Nach ein paar „Marktstückchen“ erklommen wir das imposante Kriegsdenkmal und besuchten den erholsamen Garten des Fürstenmuseums, der mit einer Vielzahl von Mauerresten aus zerstörten Verduner Klöstern aufwartete.

Weiter führte uns der Weg bergauf, bis wir vor uns die breite Nordfront der Kathedrale erblickten. Hier gab es vom spätromanischen Löwentor über gotische Lanzettfenster und den barocken Hochaltar bis hin zu den unbedingt sehenswerten Kapitellen der Krypta aus den 20-er Jahren jede Menge Kultur pur. Auch der Kreuzgang- eine wahre Oase der Ruhe- lud in der Mittagssonne zum Verweilen ein.

Weiter ging es zum sogenannten Weltfriedenszentrum- dem Bischofspalast direkt hinter der Kathedrale. In dessen Garten- unter alten Bäumen und mit prachtvoller Aussicht auf die Stadt und das Umland- wurden Pläne für weitere Erkundungsfahrten in diese Landschaft geschmiedet, von der wir jahrhundertelang ein Teil waren.

Gleich darauf kam die unterirdische Zitadelle ins Blickfeld und der militärische Teil der Stadt wurde uns schmerzhaft in Erinnerung gerufen. Auch der Gang in die Unterstadt, die größtenteils nach den Zerstörungen der Schlachten des ersten Weltkrieges in Art-Déco-Formen wiederaufgebaut wurde, machte bewusst, dass diese Stadt, in der einst der Vertrag von Verdun geschlossen wurde, immer auch unter diesem Beschluss des Jahres 843 zu leiden hatte.Der Vertrag sah vor, das unter Karl dem Großen geeinte Reichsgebiet in 3 Teile zu reißen. Aus diesen 3 Teilen entstanden, grob gesagt, Deutschland, Frankreich und eben- Lothringen. Also das Schlachtfeld, auf dem sich unzählige Male die ehemaligen Schwestern austobten, bis sie sich nach dem zweiten Weltkrieg endlich die Hände reichten.

Nach dem Mittagessen in der Altstadt ging es nun zu den Schlachtfeldern vor der Stadt, wo uns die unzähligen Kubikmeter Gebeine im Ossuaire de Douaumont, die riesigen Felder der Gefallenenkreuze und die noch immer vom Geschützfeuer zerstörte Landschaft eindrucksvoll das Grauen dieser Zeit vor Augen führte.

Am Maasufer in Verdun steht ein ausdrucksstarkes Denkmal von Rodin, das an den Widerstand der Bevölkerung erinnern soll. Ein Zitat dort lautet: „Was in Zehn Monaten der Schlacht zerstört wurde, musste in 10 Jahren wiederaufgebaut werden.“

Wir müssen lernen, aus unserer Vergangenheit zu lernen. Der Tag in Verdun hat uns diesem Ziel ein Stück näher gebracht.